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SPECIAL: Die CSU und Minderheiten

Nach all den feindseligen Äußerungen seitens der CSU gegen sämtliche Mehr- und Minderheiten, die nicht-reproduktive Sexualität jeder Art pflegen, der Kampagne gegen eingetragene Lebensgemeinschaften und all den bekannten Ausuferungen katholizistischer Selbstgerechtigkeit, gibt es doch tatsächlich eine 'LSU' (Lesben und Schwule in der Union) – anscheinend eine tendenziell masochistische Gruppierung, die kürzlich sogar aufrief, bei der Bundestagswahl 2002 Edmund Stoiber zu wählen. Unglaublich genug. Nach dem Motto: 'Wir diskriminieren uns selbst'. Naja. In einer Demokratie darf Jeder so bescheuert sein wie er mag.

Als ob ich das geahnt hätte, habe ich im Juli 2000 folgenden Text verfasst, den ich euch nicht vorenthalten will:


AUSSI KUMMA

Heute früh, bei der rituellen Postdurchsicht, finde ich neben den üblichen Reklamesendungen (Weißwurst-Heimdienst, bairische und kurdische Spezialitäten), den Fachzeitschriften (was man halt so online bestellt) und der letzten Mahnung des Devotionalienhändlers einen ganz besonderen Brief. »VIP-Einladung« steht drauf, ohne Absender, aber mit einem Löwen und einem blauen Dreieck drauf. Ich denke mir »wahrscheinlich wieder eine Verkaufsveranstaltung. Kochtöpfe, Samurai-Messer oder Heizdecken« – nach einem Blick aufs Thermometer – »Heizdecken wären eigentlich gar nicht schlecht« und öffne den Umschlag. Falsch geraten.

CSU»Aussi kumma – Einladung zum Christoph-Straßentag«. Ist ja tatsächlich eine persönliche Einladung, Löwenbräukeller, mit Freibier und allem, was dazu gehört. Beim Veranstalter werde ich stutzig: »CHRISTLICH-SCHWULE UNION«. Das will ich mir dann doch anschauen.

Vor dem Bierkeller alles normal. Keine Polizei, keine Presse, keine Gegendemonstration. »Schließlich eine Veranstaltung der großen Mutterpartei«, denke ich mir. Am Eingang nichts Ungewöhnliches, Einlasskontrolle des Sicherheitsdienstes, Umtausch der Einladungskarte gegen ein Namensschild und eine Rolle Biergutscheine. Also – rein in den Festsaal.

DirndlDer Saal ist festlich geschmückt. Ein etwas kitschiges Gemälde eines kuschelnden Homo-Paares mit Hut und Gamsbart, und überall weiß-blaue Regenbogensymbole und blaue Dreiecke.

Am Rednerpult Gauweiler im Dirndl, dahinter ein großes »AUSSI KUMMA«-Transparent, mit dem Löwen drauf und dem blauen Dreieck. Naja, nachgesagt hat man ihm so etwas ja schon immer. Spricht von der traditionellen bairischen Toleranz und dem unermüdlichen Einsatz der Mutterpartei für Verfolgte und die Minderheiten im Freistaat. Ich muss an dieser Stelle doch etwas lächeln, gerade er als KVR-Chef damals, aber was soll's. Beglückwünscht den bekannten Sandalenträger der Rosa Liste, der nun Vorsitzender der Christlich-schwulen-Union geworden sei, nach der Übernahme seiner früheren Randgruppen-Splitterpartei durch preußische Kampflesben. Tobender Beifall im Saal, was der Redner mit seinem berühmten Chauvi-Lächeln quittiert.

BriefmarkeNach der Rede spielt die Blaskapelle einen Zwiefachen. »Starker Tobak« denke ich mir, »da gibts nur eins – Bier holen. Freibier macht frei«. Die folgenden Programmpunkte – Rüscherlhemd-Wettbügeln der Landtagsfraktion, dann Stöckelschuhplatteln des (männlichen) Parteinachwuchses – darf man sich nicht entgehen lassen.

In der Nähe der Schanktheke der Ministerpräsident persönlich. »Griaß de Jackl!« – »Griaß eahna God Herr Stoiber, dass Sie mi beim Namen kenna?« – »Geh, du bist doch as einzige langhoarade Badeimitglied, außer am Jesus vo Eding« – »So? Und i hob oiwai dengt, dass a jeda in da Badei is, dea wos auf si hoit...« – »Schnapp da a Hoibe, na schdess ma oo 'auf die neue Offenheit', geh weida!« – »Hoffentlich is des Bier ned warm...« – »so weid kamads no«. Ihm scheint die inoffizielle Gesellschaft, die er in mir gefunden hat, sichtlich zu gefallen.

Das Bier ist tatsächlich kühl und gut eingeschenkt. Aber – wer hat schließlich keine Vorurteile? Also wieder hin zum Parteifreund und anstoßen. »Die reinste Sünd is des, und i hob ned auskenna. Woaßt ja scho, de Sozis wean wieda mehra im Freistaat, und z'Muibatshofa hod sogar oana de rode Fahna nausghengt. Do muaß ma was doo – woaßt scho. I sog oiwei – Wählerstimmen, Jackl, Wählerstimmen und Kaufkraft. Prost« – »Prost Edi. Jo mei. A wengal ungwohnt is schoo« – »An warma Lebakaas vakaffas scho seid hundat Joar (lächelt unbeholfen), wead ma si an dees aa no dro gwohna. Hoist uns no zwoa Hoibe, sei so guad«.

fjsGerade bin ich mit zwei frischen Gläsern zurück, steht die Schwarze Renate beim Ministerpräsidenten. »Griaß de Jackl«, fällt mir um den Hals. »Huffatli deaf ma des no heidzdog, oda bist aa scho oana voo dene«, schmatzt mir ein fettes nasses Bussi auf die Nase, dass ich mir momentan ernsthaft überlege, die Seiten zu wechseln. »Schaug amoi do hint, do ziagns am Aribert Wolf grod d'Stecklschuah oo, saukomisch«.

Durch ihr schrilles Lachen wache ich auf, irgendwie doch erleichtert. Vierzehn Uhr dreißig. War wohl etwas viel am gestrigen Freitag abend …

»Alles doch halb so schlimm«, sage ich mir leise, und wundere mich nur ein wenig, warum das Strauß-Portrait neben dem Herrgottswinkel im Wohnzimmer heute so süffisant zu lächeln scheint.

JK, im Juli 2000    


 
 
 
 
 

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